Graue Haare
Die natürliche Farbe unserer Haare
Die natürliche Haarfarbe des Menschen wird durch die körpereigenen Farbpigmente Phäomelanin (gold-roter Ton) und Eumelanin (schwarz-brauner Ton), bzw. deren Mischungsverhältnis bei der Einlagerung in die Haare, bestimmt. Zusammengefasst nennt man diese Pigmente Melanine. Fehlen diese genetisch bedingt bei einem Menschen, so spricht man von Albinismus (Albino) – sämtliche Körperhaare sind weiß. Das Gegenteil von Albinismus ist Melanismus. Diese Variante ist vorallem aus der Tierwelt bekannt, z.B. beim „Black Panther“. Ein schwarzer Panther ist nichts anderes als ein Leopard oder Jaguar mit angeborenem Melanismus.

Definition der Haarfarben: Die Fischer-Saller-Skala

Was ein Grauen! Das Ergrauen der Haare.
Die gute Nachricht zuerst: graue Haare gibt es nicht! Die schlechte: es sind in Wirklichkeit weiße! Tatsächlich unterliegen wir bei der Betrachtung mutmaßlich ergrauter Haare einer optischen Täuschung. Wenn sich weiße Haare mit dunkleren Haaren vermischen, erscheinen sie unserem Auge grau. Zusammen mit hellen wirken sie im gesamten eher weiß.
Weiße Haare wirken zusammen mit dunklen gräulich. Wie dieser Effekt funktioniert lässt sich anhand einer Tageszeitung nachvollziehen. Im Zeitungsdruck werden die Bilder fein gerastet, d.h. sie bestehen – unter der Lupe betrachtet – aus vielen kleinen Punkten. Graue Flächen der Fotos, wie im oben gezeigten Beispiel die Wange, bestehen also in Wirklichkeit aus rein schwarzen Punkten auf weißem Grund. Da unser Auge die winzigen „Dots“ nicht einzeln wahrnehmen kann, interpretiert unser Gehirn die Gesamtheit der Punkte als graue Flächen. Die Helligkeit der Grautöne ergibt sich aus der Größe und Anzahl der Punkte.
Graue Haare durch Melaninmangel
Melanine werden von speziellen Zellen im Haarfollikel, den Melanozyten, produziert. Durch Biosynthese wird die Aminosäure Tyrosin in mehreren Schritten in Melanin umgewandelt. Wichtig für den Umwandlungsprozess ist das Enzym Tyrosinase. Fehlen dem Körper aus verschiedenen möglichen Gründen Tyrosin oder/und Tyrosinase, so kann nicht genügend Melanin produziert werden (Hypopigmentierung). Die Folge ist nahezu durchsichtiges Haar, da die fehlenden Pigmente durch winzige Luftbläschen im Haarschaft ersetzt werden. Aufgrund der Lichtbrechung im durchsichtigen Haarschaft, wirkt das Haar dann weiss.
Bekannte Gründe für graue Haare (Canities):
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Biologische und molekularbiologische Gründe
Aktuelle Erkenntnisse der Wissenschaft:
Melaninmangel durch Wasserstoffperoxid
Es ist bekannt, dass mit zunehmenden Alter die Melaninproduktion in den Haarfollikeln abnimmt, da der Körper keine ausreichenden Mengen der Aminosäure Tyrosin mehr produziert. Bislang war jedoch nicht bekannt, wie es molekularbiologisch dazu kommt. Wissenschaftler der Johannes Gutenberg-Universität Mainz und der University of Bradford, UK haben in einer 2009 publizierten Studie [1] herausgefunden, dass das im Körper natürlich gebildete Wasserstoffperoxid (H2O2) für das Ergrauen verantwortlich ist. Im Alter kann der Körper das vermehrt gebildete H2O2 nicht mehr schnell genug abbauen, da altersbedingt das Enzym Katalse fehlt. Deshalb wird das noch zu verarbeitene Wasserstoffperoxid im gesamten Körper, besonders jedoch in den Haaren zwischen- bzw. eingelagert. Die Wissenschaftler konnten in ihren Untersuchungen nachvollziehen, wie H2O2 das für die Melaninbildung wichtige Enzym Tyrosinase deaktiviert. Dies geschieht durch Oxidation der Aminosäure Methionin.
Prädisposition – die genetische Vorbestimmung
Dr. David E. Fisher und Emi K. Nishimura vom Dana-Farber Cancer Institute Boston, USA erforschen normalerweise Stammzellen, um neue Erkenntnisse für die Heilung von Krebserkrankungen zu gewinnen. Als sie sich im Jahre 2003/2004 intensiv mit Melanomen beschäftigten, fanden sie heraus, dass der schwarze Hautkrebs verstärkt jene „vorprogrammierte“ Stammzellen enthält, die sich in Melanozyten (siehe oben) umwandeln können. Damit erklärt sich auch die intensive dunkle Färbung, die dem Tumor auch seinen Namen gab (von griechisch „schwarz“).
Die gleichen pigmentbildenen Stammzellen sind in großer Anzahl auch in der Kopfhaut zu finden, wodurch sich die dortige Konzentration der Melanozyten an den Haarfollikeln erklärt. Im Laufe der Studie [2] zeigte sich: im Alter sterben immer mehr dieser Stammzellen ab. Die Gründe dafür konnten allerdings bislang nicht geklärt werden, doch konnten die Wissenschaftler zumindestens das Gen Bcl2 als „Schuldigen“ lokalisieren. Nishimura et al. vermuten, dass eine Degenerierung des Bcl2 die Stammzellen absterben lässt, entweder im laufenden Prozess des Alterns oder vorzeitig durch einen angeborenen Gendefekt. Nun erhofft man sich am Bostoner DFCI, den Code des Gens entschlüsseln zu können. Würde dies gelingen, so könnte man einerseits gezielt die Stammzellen eines Melanoms „sterben lassen“ und andererseits das Absterben auf der Kopfhaut verhindern. Graue Haare würden damit der Vergangenheit angehören.
(K)eine Frage der Zeit: Natürliches Ergrauen der Haare
Im Rahmen des menschlichen Alterungsprozesses werden mit fortschreitendem Alter immer weniger Melanozyten gebildet. Im Endeffekt wird der Anteil der Farbpigmente im Haar immer weiter reduziert, bis uns die verbliebenen Haare im Gesamten weiß oder grau erscheinen – sofern noch farbige verblieben sind. Das Weißwerden der Haare macht sich zuerst an den Schläfen und der Gesichtbehaarung bemerkbar. Die Haare an diesen Stellen sind besonders „kurzlebig“ (max. 3 Jahre), sie fallen schnell aus und werden durch neue Haare ersetzt, welche durch den Melaninmangel weiß sind.
Das Ergrauen der Haare beginnt bei hellhäutigen Europiden (Europäische Rasse, Caucasian) etwa in einer flexiblen Zeitspanne zwischen dem 20. und 30. Lebensjahr, bei Afrikanern, Asiaten oder Indianern aufgrund der allgemein stärkeren Pigmentierung etwas später (ab dem 40. Lebensjahr). Wie schnell der Prozess des Ergrauens voranschreitet ist bis zu einem gewissen Grad genetisch vorherbestimmt. Jedoch können verschiedene Faktoren den Vorgang beschleunigen.
Ursachen der vorzeitigen Bildung grauer Haare (Achromotrichia)
Psyche
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Mangel
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Belastung
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Krankheit
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Fazit
Anders als bei der Suche nach Mitteln gegen Haarausfall besteht bei den grauen Haaren konkrete Hoffnung das Problem in naher Zukunft lösen zu können. Mit Hilfe der Stammzellenforschung könnte schon bald ein „Gegenmittel“ gefunden werden. So wurde z.B. im Rahmen einer Studie zum Arzneimittel Imatinib Mesylate beobachtet, wie sich das Haar einiger Patienten während der Therapie „zurückfärbte“, d.h. graues Haar wieder seine ursprüngliche Farbe annahm. Leider kann sich die Wissenschaft diesen Effekt bislang nicht erklären – könnte sie dies, so wäre die erfolgreiche Entwicklung eines wirksamen Mittels gegen graues Haar sehr wahrscheinlich. Das vom schweizer Pharmakonzern Novartis unter dem Namen Glivec® bzw. Gleevec® vertriebene Imatinibmesilat wird zur Behandlung der chronischen myeloischen Leukämie (CML), von gastrointestinalen Stromatumoren (GIST) sowie weiteren malignen Erkrankungen eingesetzt.
[1] J. M. Wood, H. Decker, H. Hartmann, B. Chavan, H. Rokos, J. D. Spencer, S. Hasse, M. J. Thornton, M. Shalbaf, R. Paus, and K. U. Schallreuter
Senile hair graying: H2O2-mediated oxidative stress affects human hair color by blunting methionine sulfoxide repair
The FASEB Journal, online publiziert am 23. Februar 2009, doi: 10.1096/fj.08-125435
[2] Nishimura EK, Granter SR, Fisher DE. Mechanisms of hair graying: Incomplete melanocyte stem cell maintenance in the niche, Science-Online 2004
[3] Mosley JG, Gibbs AC (1996). „Premature grey hair and hair loss among smokers: a new opportunity for health education?“. BMJ 313 (7072): 1616. PMC 2359122. PMID 8991008
[4] selbstständiges Absterben von Zellen (hier: Melanozyten), oft als „programmierter Zelltod“ bezeichnet, ausgelöst durch Schädigung von Erbinformationen (während der Schwangerschaft) oder durch Degeneration der Zellen im Wachstum.
[5] Pigmentstörungen, sehr oft in Zusammenhang mit Hashimoto-Thyreoiditis (Schilddrüsenerkrankung) oder Diabetes mellitus Typ 1.
[6] Eugen Fischer (*1974; †1967), deutscher Anthropologe und Eugeniker; Direktor des Kaiser Wilhelm Institute of Anthropology, Human Heredity, and Eugenics (KWI-A)
[7] Karl Felix Saller (*1902; †1969), deutscher Anthropologe und Arzt; Professor für Anthropologie und Humangenetik an der Universität München