Wissenswertes über Haare

Was Sie über Ihre Haare wissen sollten:

Rund 150.000 Haare wachsen auf unseren Köpfen. Egal ob sie blond, rot, braun oder schwarz, dick oder dünn, glatt oder gelockt sind – allesamt wachsen sie etwa bis zu einen Zentimeter im Monat. Und täglich verlieren wir bis zu hundert von ihnen. Glücklicherweise wachsen die meisten davon wieder nach, denn oft bricht das Haar nur durch eine Schädigung des Haarschafts ab, die Haarwurzel aber bleibt intakt. Ist dies nicht der Fall, entstehen jene gefürchteten Stellen auf der Kopfhaut, die wir als „lichtes Haar“ oder – wenn alle Haare verschwunden sind – als Glatze bezeichnen.

Einige Zahlen, die man kennen sollte: 

Anzahl der Kopfhaare: bis zu 150.000 Stück
Haardichte: bis zu 200 Haare pro cm2
täglicher Haarverlust: ca. 60 bis 100 Haare pro Tag
Wachstumsrate: ca. 0,33 mm pro Tag;
max. Wachstum: bis zu 1 cm pro Monat
Lebensdauer der Haarwurzeln: ca. 6 bis 8 Jahre

Querschnitt-durch-die-HautdMOoLJhcJiD8D

Erläuterung: Querschnitt durch die Haut

Das wachsende Haar wird im Haarfollikel durch hornbildende Zellen produziert, es schiebt sich dann, ähnlich wie Creme aus einer Tube, aus dem Haarkanal. Die Haarwurzel ist mit Talgdrüsen verbunden, welche das haar- und hautschützende Sebum (Talg) spenden. Auch die apokrinen Schweißdrüsen produzieren ein fettiges Sekret, welches das wachsende Haar mit an die Hautoberfläche transportiert. Die Haarbalgmuskeln sind mit der Haarwurzel verbunden, bei Nervenreizungen werden sie unwillkürlich angespannt und das Haar richtet sich auf („Gänsehaut“). Die Abbildung zeigt, wie tief eine Haarwurzel in der Haut liegt. Deshalb ist auch bei stärkeren äußeren Hautverletzungen die Haarwurzel oft nicht betroffen. Zum Größenvergleich rechts eine ekkrine Schweißdrüse.

Haare – der Schönheit wegen

Anders als Säugetiere, deren dichtes Fell den gesamten Körper vor Kälte, Nässe und Wärme schützt, trägt der Mensch sein sogenanntes Terminalhaar nur noch auf dem Kopf. Die Schutzfunktion des Haares ist im Laufe der Evolution abhanden gekommen. Heute schützen uns Kleidung und Kopfbedeckungen vor widrigen Umständen.

Geblieben ist allerdings die Funktion der menschlichen Haare als Symbol und optisches Signal innerhalb der Gesellschaft Gleichartiger. Einfacher ausgedrückt: die Haare haben noch immer die gleiche Funktion wie eine Löwenmähne in freier Wildbahn. Eine üppige „Mähne“ aus gesundem, vollem Haar signalisiert bis heute diejenigen Eigenschaften, welche schon unsere Urahnen damit assoziierten, auch wenn sie von uns nur noch unterschwellig wahrgenommen werden:

Geschlecht Assoziation
weiblich Schönheit
Eleganz
Fruchtbarkeit
Gesundheit
Gepflegtheit
männlich Schönheit
Stärke
Potenz
Dominanz
Gesundheit

Seit Anbeginn der Menschheit gilt der Löwe als Symbol der Kraft, Macht, Eleganz und Schönheit. Als König der Tierwelt wurde und wird er ungeachtet von ethnischen oder religiösen Einflüssen als Sinnbild dieser Eigenschaften wahrgenommen. Bis heute findet sein Abbild Verwendung in Wappen, Flaggen, Logos oder künstlerischen Darstellungen. Wichtigstes und wiederkehrendes Attribut des Löwens: seine Mähne!

Haare sind Leben!

Klischees über Haare und die, die es tragen gibt es viele. Blondinen seien nicht die Schlauesten, heißt es, Brünette schon eher. Rothaarige tragen einen Hauch von Mystik und Märchenhaftem mit sich. Langhaarige Männer seien wild, stark und unangepasst, während kurzhaarige zwar als ordentlich und gepflegt, aber ebenso als bieder gelten. Bei den Frauen dagegen sind lange Haare ein klassisches Symbol für Weiblichkeit und Erotik. Kurze Haare findet man – so das Klischee – eher bei erfolgreichen Karrierefrauen mit großem Selbstbewusstsein. All diese bekannten Weisheiten zum Thema Haare – egal ob falsch oder richtig – bezeugen eines: in Haaren steckt das volle Leben! Sie sind fester Bestandteil unseres Lebensalltags und haben mehr Einfluss als uns vielleicht bewusst ist. Sie bestimmen unser Leben mit, da die von unseren bzw. anderen Haaren ausgehende Symbolik über zwischenmenschliche Beziehungen entscheiden kann. Haare können uns sympathisch machen, genau so gut können sie bei anderen Abscheu auslösen, und nicht zuletzt setzen wir unser Haar dazu ein, bestimmte Charaktereigenschaft zu unterstreichen. Deshalb sind uns Haare wichtig. Deshalb sind Haare Leben!

Wenn man bedenkt…

Das Wort „Locken“ hat bis heute eine doppelte Bedeutung. Dies zeigt wie sehr Haare eine anziehende Wirkung zugeschrieben wird.

Bedeutung der Haare in der Geschichte

Schon in der Bibel sind Haare mit einer klaren Symbolik behaftet. Eva, nackt bis auf ihr langes Haar, gilt als Sinnbild der Weiblichkeit und Verführung, was sich in der bildnerischen Darstellung von Adam und Eva in der Kunst bis heute fortsetzt. Langes Haar beim Mann ist von jeher Symbol von Stärke und Mut. Auch hier kennt die Bibel viele Beispiele, beispielsweise das von Samson, der seine Kraft verlor, als Delilah ihm die Haare schnitt. Deutet man diesen Akt als symbolische Kastration, versteht man auch, wie sehr die Löwenmähne des Mannes assoziativ mit Stamina und Potenz verknüpft ist.

Wer genau auf die Feinheiten bei der biblischen Beschreibung der Heiligen achtet wird bemerken, dass es bei den Haaren eine deutliche assoziative Zuordnung gibt: Jesus Christus erscheint uns mit schulterlangem, feinem Haar. Seine Haarlänge mag seinen Mut, sich gegen die römischen Machthaber zu stellen symbolisieren, die feminine Feinheit des Haares seine Liebe und Fürsorge. Ganz gegensätzlich dazu die Darstellung des Judas mit krausem Haar oder alttestamentarisch Kain mit wilder Mähne. Hier sind die Haare auch Ausdruck des jeweiligen Charakters.

Erst mit der Entwicklung der Hochkulturen bekam das lange, naturbelassene Haar einen negativen Beigeschmack. Es galt zwar noch immer als Symbol der Erotik und Stärke, wurde aber zunehmend im kulturellen, gesellschaftlichen Sinne als wild und unbändig, und im religiösen als „ungezügelt“ empfunden. In der hochentwickelten Badekultur der Römer oder Ägypter, trug die gesellschaftliche Oberschicht die Haare „gebändigt“, d.h. gekürzt, zusammengebunden und mit allerlei Ölen zurechtgelegt. Selbst weibliche Herrscherinnen wie Cleopatra trugen die Haare kurz oder unter Kopfbedeckungen verborgen. Wer nicht mit schönem Haar gesegnet war, der trug aufwendige Perücken, oft mit Gold bestäubt. Lange Haare dagegen kannte man zu dieser Zeit nur von Barbaren, weit entfernten Feinden oder den damals allgegenwärtigen Sklaven

Im Mittelalter und den nachfolgenden Epochen trafen viele Kulturen Europas aufeinander, sie bekämpften und verbanden sich, wodurch sich die „Haarmode“ mitunter rasch änderte. Es wurde jedoch, nicht zuletzt durch den Einfluss der Kirche, stets ein „Gebot der gezügelten Haarpracht“ aufrecht erhalten. Einen Höhepunkt fand diese Maßgabe, als starke Körperbehaarung zur Zeit der Hexenverfolgung zunehmend als „teuflisch“ gedeutet wurde. Rotes Haar bei Frauen galt sogar als Indiz für Hexentum.

Von der unheimlichen Macht der Haare

Unsere Haare sind weitaus mehr als nur ein symbolisch aufgeladener Kopfschmuck, den Außenstehende registrieren und bewerten. Haare haben einen aktiven psychologischen Einfluss auf die ureigene Befindlichkeit, auf unser Wesen, unser Dasein und darauf, wie wir uns selbst wahrnehmen. Demzufolge fühlen wir uns – bewusst oder unbewusst – wohler, wenn die Haare gesund und gepflegt sind. Den Verlust bzw. schon das Kürzen der Haare empfinden wir dagegen als emotional bewegenden Eingriff in unser Leben. Dies zeigt, wie sehr wir „mental“ mit unserem Haupthaar verbunden sind. Nicht umsonst gilt die menschliche Behaarung seit jeher als Quelle von Macht und Kraft (Christentum) oder als Teil der Seele (Buddhismus). Viele Beispiele der Geschichte und Gegenwart verdeutlichen die tiefgreifende Bedeutung der Haare: bei der Tonsur der Mönche werden die Haare freiwillig geschoren, um sich der „profanen“ Pracht zu entledigen und Askese zu leben. Lange Haare der Frauen werden in der Öffentlichkeit bzw. im Arbeitsalltag hochgesteckt, gebändigt, im religiösen Kontext unter der Nonnenhaube verborgen – analog dazu tragen viele Muslima Kopftücher. Als politisches Statement ließen sich asiatische Dissidenten öffentlich die Köpfe kahlrasieren, eine buddhistische Tradition, mit der dem verbalen Protest auch körperlich Ausdruck verliehen werden soll. Das zwangsvollstreckte Scheren von Gefangenen gilt als konsequentes Mittel der Entmachtung und „Gleichschaltung“, da durch den Verlust der Haare dem Menschen seine Individualität geraubt wird und er sich mit kahlem Kopf und einheitlicher Anstaltskleidung nahtlos in die Masse der Insassen einfügt. Viele der althergebrachten Symboliken sind bis heute erhalten geblieben. Am deutlichsten zeigt sich dies bei der latenten Sorge, die Haare schleichend zu verlieren. Die Vorstellung des unvermeidbaren Haarausfalls bedient Urängste, die auch in der modernen Welt unvermindert wirken, wenn auch unter anderen Bedingungen. Haarverlust ist für uns mehr als nur ein Alterungsprozess. Es ist ein Teilverlust der Individualität, der uns zutiefst ängstigt.

Zeitgenössische Aufgaben und Ausdrucksformen der Haare

Mit fortschreitender Aufklärung und dem Beginn der Industralisierung bekam die Haarpflege eine ganz neue Dimension. In den rapide wachsenden Städten kam ihr als Teil der programmatischen Hygiene nun eine gesundheitserhaltende Aufgabe zu. Haare sollten kurz und rein sein, auch um Parasiten wie z.B. Läuse einzudämmen.

In den 1920er Jahren trugen auch Frauen die Haare kurz, ein frühes Zeichen der Emanzipation und Ablehnung traditioneller Werte. Diese Haarmode wiederholte sich aus ähnlichen Gründen in den 1960er Jahren („Bubi-Kopf“). Das Kürzen der Haare war damit auch eine entsexualisierende Maßnahme, ein wortwörtliches Beschneiden des traditionellen Frauenbildes.

Den umgekehrten Weg gingen die Hippies der späten 1960er Jahre, sie ließen Haare und Behaarung als ein Zeichen der persönlichen Freiheit ungehemmt wachsen. Damit wurden Haare erstmals als politisches Symbol und als Abgrenzung zu gesellschaftlich konservativen Normen eingesetzt. Bekanntestes Beispiel: Yoko Ono’s und John Lennon’s „Hair Peace“-Statement im Rahmen ihres Bed-Ins. Auch die Punk-Bewegung nutze das Haar bekannterweise zur Provokation. Irokesen und bunt gefärbtes Haar sollten das Bürgertum schocken.

Im 21. Jahrhundert wurden Haare vermehrt dazu eingesetzt, das eigene Selbst durch z.T. drastische Veränderung der naturgegebenen Haare zu verbergen, oder aber das wirkliche Ich hervorzuheben: Farbige Künstler in den USA ließen sich ihre naturgewellten Locken rabiat glätten („Conk“). Frauen ließen sich die Haare männlich kurz frisieren, um androgyn zu wirken, ebenso trugen Männer feminine Langhaarfrisuren („Wedge“) – nicht nur um Homosexualität zu demonstrieren, oft kehrten Modetrends einfach die üblichen Geschlechterrollen um. Bis heute setzt sich der Trend, das eigene Haar verändern zu wollen, durch. Blondinen wünschen sich schwarze Haare, Brünette träumen davon blond zu sein. Naturlocken werden durch Chemie und Hitze „glattgebügelt“, andere wickeln sich die Haare auf und danken Karl Ludwig Nessler für die Erfindung der Dauerwelle.